Panel IX. — „Der erste Römer in Mähren (?)“

Dem Aufbau des Aqualand-Komplexes ist die bisher umfangreichste archäologische Rettungsgrabung in Mušov vorangegangen. Auf einer Gesamtfläche von 5 Hektar dokumentierte man unter anderem auch einen 120 m langen Abschnitt von einer doppelten Linie der Gräben, die den südwestlichen Teil der Fortifikation der römischen Festung auf Hradisko darstellen. Der östlich gelegene innere Graben hatte die größte messbare Breite von 6,6 m und eine Tiefe von 4,2 m; der äußere Graben war höchstens 4,6 m breit und 3,2 m tief. Sein Verlauf präzisierte deutlich unsere Kenntnis über den Umfang des befestigten Areals von Hradisko, das offensichtlich auch einen Teil der anliegenden Fläche von heutigem Campingplatz eingeschlossen hat. Entdeckt wurden auch die Fundamente von zwei Holztürmen in Form von massiven Pfostengruben, die in einem quadratischen Grundriss mit einer Fläche von ca. 4 x 4 m angeordnet waren. Es befand sich hier auch eines der zwei bisher freigelegten Tore zum Areal des römischen Lagers auf Hradisko.

Archäologische Ausgrabungen auf der Fläche des heutigen Aquaparks.

Eine bislang völlig einzigartige Entdeckung wurde innerhalb der befestigten Fläche gemacht. In einer kleinen länglichen Grube lag ein komplett erhaltenes menschliches Skelett. Den Körper legte man in die Grube auf seiner linken Seite, mit leicht gebeugten Knien. Unter dem linken Ellbogen lag eine bronzene römische Kniefibel, das einzige Artefakt aus der Verfüllung der Grube. In Objekten der römischen Armee aus der zweiten Hälfte des 2. Jahrhunderts n. Chr., einschließlich derjenigen auf Hradisko, repräsentiert diese Fibel die meistverbreitete Form der Gewandschließe. Anhand der formalen Attribute handelte es sich vermutlich um keine rituelle Bestattung nach üblichen Bräuchen jener Zeit (die Römer haben ihre Verstorbenen verbrannt und die Brandreste in Urnen gelegt). Anhand der anthropologischen Bestimmung handelt es sich um die Skelettreste eines Mannes im Alter von 20 bis 25 Jahren, von mittelrobuster Gestalt mit einer Höhe von ungefähr 170 cm, ohne deutliche Spuren von Krankheiten oder Verletzungen, mit nur einer verheilten Fraktur der linken Speiche.

Die Todesursache konnte man jedoch nicht identifizieren. Von dem Knochen wurde eine Probe zur Radiokarbondatierung entnommen. Die hat gezeigt, dass die Bestattung irgendwann zwischen den Jahren 130 und 210 n. Chr. stattgefunden hat. Auf den erhaltenen Zähnen konnte man weder Karies noch Zahnstein identifizieren. Nach einem Dünnschliff von den Zähnen lässt sich schließen, dass der Mann an der Wende vom April zum Mai gestorben ist. In den letzten 7 bis 10 Jahren seines Lebens bestand seine Nahrung vorwiegend aus Zerealien und Gemüse auf Kosten von Fleisch. Die Analysen von DNA und Strontium-Isotopen deuten an, dass der Mann aus dem Mittelmeergebiet stammen konnte (Italien, Ägypten, Iberische Halbinsel). Falls dieser Schluss richtig ist, würde es sich um den ersten identifizierbaren Menschen aus dem Gebiet des Römischen Reichs in Mähren handeln.

Wo die Römer diejenigen Toten bestattet haben, die während ihrer Anwesenheit auf unserem Gebiet gestorben sind, wissen wir noch nicht. Aus hygienischen Gründen war es aber sicherlich immer jenseits der Lager- und Stadtmauern. Deswegen scheint es, als wäre dieser Mann in einer Zeit in die Grabgrube gelegt (oder eingeworfen), als die unweiten Wehrmauern und das Militärkrankenhaus nicht mehr in Gebrauch waren. Vielleicht handelte es sich um jemanden, der aus irgendeinem Grund (z. B. ernste Krankheit, Desertion, usw.) im Jahre 180 n. Chr. mit der Armee nicht zurückgekehrt ist. Auch deswegen wurde er vielleicht nicht auf eine angemessene rituelle Art bestattet.

Ein männliches Skelett, das in einer seichten Grube unweit der römischen Wehrmauern deponiert wurde.

Interessante Fakten:

Während der meisten Römerzeit dominierte sowohl bei den Römern, als auch bei den Germanen die Kremation, d. h. die Brandbestattung. Diese Tatsache beschränkt auf eine deutliche Weise jegliche umfangreichere anthropologische Analysen des Aussehens, Gesundheitszustandes und weiterer Aspekte von damaligen menschlichen Gemeinschaften. Trotzdem kann die moderne Wissenschaft auch aus fragmentarischen, verbrannten Knochen zahlreiche Schlüsse ziehen. Auf dem Territorium der europäischen Provinzen Roms legte man bis zum Ende des 3. Jahrhunderts n. Chr. die unverbrannten Körper ins Grab nur im Fall der Neugeborenen und Säuglinge bis zum 6. Lebensmonat sowie der Erwachsenen, deren Art des Lebens oder Todes die rituelle Verbrennung nicht erlaubt haben.

Ein auf dem Gebiet des Römischen Reichs hergestellter keramischer Krug, der in einem der Gräben gefunden wurde.

Das Aussehen der Bewohner des Römischen Reichs wurde ebenfalls durch ihre bunte ethnische Zusammensetzung und große Mobilität beeinflusst. Die Bewohner Italiens sowie anderer Teile des Imperiums sind in die Provinzen vor allem dank dem Militärdienst, aber auch wegen Handel umgezogen. Auf dem Gebiet der benachbarten Provinz Pannonien in heutigem Ungarn sind z. B. die Immigranten aus Syrien, Ägypten, Hispanien, Norditalien oder Britannien belegt. In den anderen Provinzen war es dasselbe gewesen.

Die Ausgrabung einer Doppellinie von römischen Gräben.

Ausführlichere anthropologische Analysen in Südwestdeutschland haben die durchschnittliche Höhe der römerzeitlichen Männer auf 170 cm und der Frauen auf 159 cm abgeschätzt. In der vorangehenden Keltenzeit dagegen wurde dieser Wert auf 171 bzw. 161 cm bestimmt (heutzutage sind es 178 bzw. 166 cm). Der Rückgang gegenüber der älteren Periode wird gerade als eine Folge der Einwanderung aus den südlichen Teilen Europas erklärt. Bei der erwarteten Lebenslänge dagegen (bei den Männern damals ungefähr 36 und bei den Frauen 33 Jahre) sind die Werte höher als bei der vorangehenden keltischen Population (die hohe Kindersterblichkeit von 30 % blieb jedoch unverändert).

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III. Unser ältestes Bad Panel III
IV. Werkstätten Panel IV
V. So weit das Auge reicht Panel V
VI. Hradisko bei Mušov Panel VI
VII. Das Hafentor Panel VII
VIII. Die Verwundetenpflege Panel VIII
IX. – schaut sich gerade Der erste Römer in Mähren (?) Panel IX
X. Wissen Sie, wer hier vor Ihnen gecampt hat? Panel X
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