Panel V. — „So weit das Auge reicht“

Die Aussicht, die sich vor uns nicht nur an dieser Stelle, sondern in sämtlichen Gipfelpartien von Hradisko öffnet, zeigt deutlich, welch wichtige Rolle die strategische Lage der Anhöhe in der Vergangenheit gespielt hat. Das Territorium der Thaya-Schwarza-Talsenke und des Unteren Marchbeckens ist schon seit älterer Vorgeschichte dicht besiedelt und landwirtschaftlich genutzt worden. Langjährige archäologische Ausgrabungen sowie Zufallsfunde beweisen, dass es auch in der römischen Kaiserzeit (1.–4. Jh. n. Chr.) so gewesen ist, als sich hier der germanische Stamm der Markomannen niederließ. Gerade in der Gegend von Mušov und den heutigen Nové Mlýny-Stauseen befand sich deren Machtzentrum, wo die Stammeselite und die Kriegergruppen gelebt haben. Die Anwesenheit der höchsten Gesellschaftsschichten bildete einen der Gründe, warum die römischen Militäringenieure gerade diesen Ort für die Erbauung der zentralen Fortifikationsanlage ausgewählt haben. Genauso wichtig war jedoch auch die Frage der Zugänglichkeit auf den damals benutzten Hauptwegen.

3D-Visualisierung eines temporären Lagers.

Um die strategischen Vorhaben des römischen Heeres auf feindlichem Gebiet zu verstehen, muss man jedoch unbedingt auch von anderen Militärobjekten Kenntnis haben. Dazu gehören z. B. die sogenannten temporären Feldlager, von denen die Archäologen im Mitteldonaugebiet heutzutage ungefähr 30 kennen. Sie befinden sich in regelmäßigen Abständen voneinander (etwa eine Tageswanderung von 15 bis 20 km) entlang der Unterläufe der Flüsse March und Thaya, wobei die meisten von ihnen in der Umgebung der zentralen Festung auf Hradisko konzentriert sind. Die ersten temporären Feldlager wurden in Mähren im Kataster von Mušov entdeckt, 2,4 km südlich von Hradisko in der Flur Na Pískách, auf dem südlichen Ufer der Thaya. Die nördlicher gelegenen Lager, z. B. diejenigen auf dem Gebiet von Modřice bei Brno, Olomouc oder Hulín, kopieren die Verbreitungsgrenze der damaligen germanischen Besiedlung auf unserem Gebiet. In den Feldlagern waren je nach ihrer Größe vorübergehend größere oder kleinere Militäreinheiten stationiert. Die Fortifikation dieser Lager ähnelt derjenigen auf Hradisko, die innere Bebauung bestand aber eher aus Zelten. Die Streufunde von typischen Komponenten der Ausrüstung und Bewaffnung lassen dann auf bisher unspezifizierte Objekte und Bewegungsrichtungen der Armee schließen.

Ein Marsch der römischen Legionäre, wie er auf der Mark-Aurel-Säule in Rom abgebildet ist

Die Strategie des römischen Militärkommandos während der Okkupation eines feindlichen Gebietes umfasste einige Hauptfaktoren. Bei Dislokation der Truppen musste man logischerweise die Kontrolle über die am dichtesten besiedelten Gebiete und Hauptwege im Sinn haben. Am wichtigsten war es, den aus dem Provinzialgebiet entlang der March und der Thaya führenden Weg zu kontrollieren, der auch bei Sicherung der adäquaten Versorgung eine wesentliche Rolle gespielt hat. In der römischen Kaiserzeit existierte nördlich der Donau kein stabiles Straßennetz, welches mit dem auf römischem Gebiet vergleichbar wäre, und das große Volumen von Vorräten und militärischem Zeug wurde vorzugsweise auf Flüssen transportiert.

Eine Ansicht des freigelegten Fundaments von einem Holztor des Lagers in Ivaň

Deswegen befinden sind zahlreiche Lager in der Nähe von bedeutenden Wasserläufen innerhalb der Region. Sie sorgten für eine sichere Nutzung der Flüsse und der an ihnen führenden Landwege, und gewährten Ankerplätze für die Wasserfahrzeuge. Die Lager waren so verteilt, dass zwischen ihnen eine gewisse Form der visuellen Kommunikation möglich war, z. B. unter Verwendung von Feuer, Rauchsignalen oder sogar Spiegeln, wie es in den antiken literarischen Quellen erwähnt wird. In dem ziemlich gegliederten Tieflandgebiet der Marchbecken sind die Möglichkeiten visueller Kontrolle bzw. der Signalisierungssysteme vermutlich ebenfalls ausgenutzt worden. Wichtige Hochlagen, nicht nur Hradisko selbst, sondern auch z. B. die Pollauer Berge, spielten in diesem System eine entscheidende Rolle.

Interessante Fakten:

Der Bau von Lagern, wenn auch nur für eine sehr kurze Zeit, bildet einen typischen Bestandteil der römischen Militärstrategie. Das spätantike Militärhandbuch, dessen Autor Flavius Vegetius Renatus gewesen ist, sagt folgendes über die Lager:

„Das Lager soll immer – umso mehr aber in der Nähe des Feindes – an einem sicheren Platz gebaut werden, so dass gleichzeitig auch für genügend Holz, Futter und Wasser gesorgt ist. Solcher Platz muss auch gesund sein, insbesondere wenn ein längerer Aufenthalt vorgesehen ist. Es ist wichtig zu vermeiden, dass das Lager unter einem naheliegenden Hügel oder Berg angelegt wird, denn von einer solchen Lage könnte Schaden entstehen, falls diese Höhenlagen von einem Feind besetzt werden sollten. Es ist ebenfalls nötig zu erforschen, ob die Tiefebene durch Bäche überschwemmt wird, um der Katastrophe für das Heer auszuweichen. Was es den Flächenumfang angeht, wird das Lager im Einklang mit der Soldaten- und Gepäckmenge so groß gebaut, dass sich eine größere Anzahl von Soldaten auf einer kleinen Fläche nicht drängen muss und eine kleine Besatzung in einem geräumigen Lager nicht mehr verstreut wird als nötig.“

Die Ausmaße der sog. temporären Feldlager auf dem germanischen Gebiet nördlich der Donau sind sehr verschiedenartig. Die kleinsten von ihnen nehmen eine Fläche von ungefähr 1,2 Hektar ein, während die größten bis zu 42 Hektar erreichen (das Lager in Charvátská Nová Ves oder eines der Lager in der Flur Mušov – Na Pískách). In den größten Lagern konnten offensichtlich sogar zwei ganze Legionen samt Begleitung auf einmal untergebracht werden. Die Garnison in den kleinsten Lagern hatte dagegen nur zwei- bis dreihundert Männer.

Große Feldlager mit vielen Tausenden von Soldaten dienten offenbar zu einer vorübergehenden Versammlung größerer taktischer Streitkräfte, die aus verschiedenen Typen von Militäreinheiten zusammengesetzt waren. Die Besatzungen von kleineren Lagern haben vermutlich die Ankerplätze, Furten oder Knotenpunkte auf den Landwegen überwacht. Dazu fügt der oben erwähnte Autor des Militärhandbuchs hinzu: „Egal ob das Heer in einem Lager oder in einer Stadt stationiert ist – der Kommandant muss besonders achtsam dafür sorgen, dass die Weideplätze für Tiere, die Zufuhr von Getreide und anderen Vorräten, Wasser, Holz, Futter, einfach alles, was das Heer braucht, vor feindlichen Attacken geschützt wird. Dies erzielt man jedoch nur durch die Dislokation von Schutzbesatzungen an geeigneten Stellen bei den Wegen, auf denen die Versorgung unserer Armee stattfinden wird.“

Seznam dalších panelů na naučné stezce I

Anzahl Panel Panel Titel Link
I. Alle Wege führen aus Rom Panel I
II. Auf den Wehrmauern Panel II
III. Unser ältestes Bad Panel III
IV. Werkstätten Panel IV
V. – schaut sich gerade So weit das Auge reicht Panel V
VI. Hradisko bei Mušov Panel VI
VII. Das Hafentor Panel VII
VIII. Die Verwundetenpflege Panel VIII
IX. Der erste Römer in Mähren (?) Panel IX
X. Wissen Sie, wer hier vor Ihnen gecampt hat? Panel X
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